Dienstag, 22. Dezember 2015

In der Orangerie

Pflanzliche Verwandschaftsverhältnisse können ziemlich komplex sein. Das erinnert dann ein wenig an so manche hochdramatische Fernsehserie, man denkt, man kennt die Familie schon in- und auswendig, aber dann zaubern die Erfinder mit einem Knall am dramatischen Höhepunkt noch einen bei einem Schiffsunglück in Tahiti verlorenen Sohn oder eine in Zimbabwe gestohlene Tocher aus dem Hut. Ich halte es nicht für übertrieben, eine ähnliche Verwandtschaftsdramatik der Familie der Rautengewächse zu unterstellen.



Die Rautengewächse sind diejenigen Pflanzen, die die hierzulande sehr beliebten Zitrusfrüchte hervorbringen. Selbige werden übrigens allesamt als Beerenfrüchte deklariert und zeichnen sich durch eine mehr oder minder dicke, lederartige Schale aus, die das segmentierte Fruchfleisch lange lagerfähig hält. Lebensmittelrechtlich gesehen darf eine 36 Monate lang gelagerte Orange noch als frisch verkauft werden (möglicherweise erklärt das die Beobachtung von so manch einem Orangennetzkäufer, dass sich in eben jenen Packungen meistens eine Orange versteckt, die durch eine gewisse Strohigkeit des Fruchtfleisches erkennen lässt, dass sie ihre besten Tage bereits hinter sich hat)!

Doch zurück zu den Verwandtschaftsverhältnissen, denn an diesen hätte wohl jeder Skandalreporter seine wahre Freude! Stichworte wie ungeliebte Geschwister und Inzucht sind nämlich nicht nur bei Menschen ein Thema. Aber der Reihe nach. Die gesamte Vielfalt unserer Zitrusfrüchte lässt sich nämlich auf folgende Ursprünge zurückverfolgen: Die Mandarine, die Pampelmuse und die Zitronatzitrone. Der Rest wurde munter ein- und wieder ausgekreuzt, und so haben wir ein Zitrusfrüchtewirrwar, bei dem selbst dem passioniertesten Adelsforschern schwindelig werden könnte.

Beginnen wir einmal mit der Mandarine. Diese süßeste aller ursprünglichen Zitrusfrüchte werden schon lange Zeit in China angebaut. Erste Zeugnisse ihrer Existenz findet man bereits im 12. Jahrhundert vor Christus. Da eine solche Frucht damals eher den hohen Herren der Gesellschaft vorbehalten war, erhielten sie ihren Namen von den Mandarin, den hohen kaiserlichen Beamten. Dann gab es die noch viel größere, aber dafür auch sehr viel bitterere Pampelmuse, deren echte Form heute wohl kaum jemandem mehr geläufig sein dürfte, denn das, was heute viele als Pampelmusen kennen in Wirklichkeit gelbe Grapefruits sind, doch dazu später.

Diese beiden brachten zwei sehr wichtige und bekannte Vertreter unserer Zitruswelt hervor, namntlich Orangen und Pomeranzen. Ja, ihr habt richtig gelesen, die Orange ist keine der Ursprungsarten, sondern erst durch selektive Kreuzungen entstanden. Da sie besser lagerfähig war und dennoch relativ süß, wurde sie eine beliibte Handelware und bald auch im gesamten Mittelmeerraum angebaut. Die Pomeranze wurde und wird heutzutage vor allem ihrer Schale wegen geschätzt, auch wenn sie es nie zu gleichem Ruhm brachte wie ihre bekanntere Schwester. Dennoch prägte sie einen Teil der abendländischen Kultur, aus ihr stellt man nämlich die berühme englische Orangenmarmelade her.

Ich hatte ja Skandale versprochen. Was viele gar nicht wissen ist, dass die im Lebensmittelhandel als Mandarinen bezeichneten Früchte sehr häufig gar keine sind, sondern eigentlich Clementinen oder Satsumas heißen müssten. Diese frechen Früchtchen entstanden aus einer Rückkreuzung von Mandarinen mit Orangen. Man erhoffte sich wohl süßere Früchte mit besserer Frischhaltung, und ganz nebenbei sind die Plfanzen auch nicht so kälteempfindlich, was erklärt, wieso Satsumas hauptsächlich in Japan angebaut werden. Und da jeder mal mit jedem darf, wurde die Orange auch noch einmal mit ihrem zweiten Elternteil, der Pampelmuse verpaart, und heraus kam die heutzutage sehr beliebte Grapefruit, die es ihrerseits in zwei Formen, nämlich pink und weiß, gibt. Lange nicht so bitter wie die Pampelmuse und als äußerst gesund geltend eroberte sie uns Europäer im Sturm.

Zu Beginn hatte ich ja noch die Zitronatzitrone erwähnt. Selbige ist mit ihrer dicken Schale nicht nur Lieferantin der berühmten Backzutat, sondern auch selbst in der Kindererzeugung sehr aktiv. Unsere bliebte Zitrone ist nämlich ein Produkt aus der Kreuzung von Zitronatzitrone und Pomeranze. Diese beiden haben daneben noch die Bergamotte hervorgebracht, deren Aroma man hauptsächlich vom Earl-Grey-Tee kennt.

Wie immer kann ich es nicht lassen, meine Ausführungen mit einer Versuchsvorschrift zu garnieren. Wer also seine harmlosen Orangen einmal von der bittersüßen Seite erleben will, dem sei die folgene Rezeptur empfohle. Für eventuell auftretende Suchtsymptomatik wird allerdings keine Haftung übernommen.

Orangenmarmelade

Das Rezept ist eine Adaption von Christine Ferbers Orangenmarmelade aus ihrem Buch "Die Marmeladenbibel", welches nebenbei auch hervorragende Rezepte für Kompott und Chutneys enthält. Ich musste etwas mehr nehmen, da 700 g ganze Orangen so schwer abzupassen sind. Außerdem habe ich den Zuckeranteil gekürzt und etwas weniger Zitronensaft verwendet, da meine Orangen recht sauer waren. Zusätzlich kamen Vanille und Rum zum Einsatz. Der Ansatz muss über Nacht ruhen, es ist also keine spontane Angelegenheit.


Recipe

820 g Orangen, unbehandelt
320 g frisch gepresster Orangensaft (aus knapp 800 g frischen Orangen)
650 g Zucker
1 geschlitze Vanilleschote
10 g Zitronensaft (aus einer halben, mittelgroßen Zitrone)
20 g Rum

sterilisierte Gläser

Procedere

1. Die Orangen werden gründlich gewaschen und abgebürstet. Nun werden sie in sanft siedendem Wasser 20 Minuten gekocht und anschließend abgeschreckt. Die gekochten Zitrusfrüchte auf Raumtemperatur abkühlen lassen.

2. Die kalten Orangen werden in sehr Dünne Scheiben geschnitten. Die Scheiben werden zusammen mit dem Orangen- und dem Zitronensaft sowie dem Zucker und der Vanilleschote in einen Topf gefüllt und dort bis zum ersten Aufwallen erhitzt. Das Gemisch wird in eine hitzefeste Schüssel gefüllt und mit Backpapier abgedeckt. Anschließend lässt man die Masse mindestens 16 Stunden im Kühlschrank ruhen.

3. Am Folgetag wird die Mischung in den Topf zurück gefüllt und unter Rühren zum Sieden erhitzt. Man kocht die Masse 10 Minuten blubbernd und schäumt bei Bedarf ab.

4. Die Vanilleschote wird nun entfernt und der Topfinhalt püriert. Man kocht die Masse unter Rühren nun Koch weitere 5 Minuten, bis der Gelierpunkt von 108 Grad erreicht ist. Man kann das auch überprüfen, indem man etwas von der Marmelade auf einen kalten Teller tropft. Geliert er schnell, ist die Marmelade fertig.

5. Die Masse wird bekommt jetzt einen guten Schluck Rum verpasst und wird anschließend in sterile Schraubgläser gefüllt. Die Gläser werden sofort verschlossen und 15 Minuten auf den Kopf gestellt. Nachdem man sie wieder in Ausgangsposition gebracht hat, dürfen sie abkühlen. Die Marmelade ist etwa 6 Monate haltbar.

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