Donnerstag, 17. Dezember 2015

Die Sache mit den Pektinen

Heutzutage scheint das allgemeine Bedürfnis zu bestehen, bei allen möglichen Naturphänomenen auf Nummer sicher zu gehen und ihnen wohlmeinend unter die Arme greifen zu wollen. Dabei hat Mutter Natur insbesondere lebensmitteltechnologisch so einiges auf dem Kasten und uns damit, so möchte ich behaupten, auch einiges voraus.



So handelt es sich bei dem Zusatzstoff E440 nicht etwa um eine vom Menschen ausgedachte Komponente, sondern schlicht um Pektine, die in der Natur in jeder Pflanze, bevorzugt in deren festeren Teilen wie zum Beispiel Stängeln, vorkommen. Und bei Pektin klingelt es dann bei vielen, denn selbst die weniger lebensmittelchemisch Interessierten haben zumindest schon einmal gehört oder gelesen, dass diese bei der Herstellung von Marmeladen und Konfitüren eine wichtige Rolle spielen. In diesem Fall sorgen die Pektine nämlich dafür, dass die süße Fruchtmasse nicht vom Frühstücksbrötchen tropft, sondern hübsch kompakt bleibt, sprich, im besten Fall ein weiches Gelee bildet. Doch was passiert dabei eigentlich?

Dazu schauen wir uns erstmal die Pektine als solches an. Diese Gruppe von Gelierhelfern besteht nämlich in allgemeinen aus verzweigten, langkettigen Zuckern, sogenannten Polysacchariden, im täglichen Sprachgebrauch auch als Stärke bekannt. Die Besonderheit der Pektine ist allerdings der Zuckerbaustein, der der Sache zugrunde liegt, denn wir sprechen hier nicht von der Standardglucose, oh nein, wir sprechen von so abgefahrenen Bausteinen wie Galacturonsäuren, deren Ketten durchsetzt sind mit Rhamnosen. Daneben gibt es noch einige strukturelle Besonderheiten wie weitere Glykanverzweigungen, so dass wir uns das resultierende Makromolekül eher als eine Art Mininetz vorstellen durfen denn als lange Perlenkette, in der hübsch sortiert alles hintereinander vorliegt.

Wer im Chemieunterricht nicht gänzlich geschlafen hat, erinnert sich möglicherweise, dass Säuren in Wasser dissoziieren und eine negative Ladung aufweisen. Das führt zu zwei interessanten Effekten, nämlich zum einen zu der Tatsache, dass Pektine im Gegensatz zu reiner Stärke recht gut wasserlöslich sind (wer das nicht glaubt, der möge versuchen, Speisestärke in Wasser aufzulösen) und zum anderen, dass die Moleküle aufgrund ihrer negativen Ladung in Lösung den größtmöglichen Abstand voneinander einzunehmen versuchen. Ihr wisst schon, gleiche Ladungen und so. Um nun den Gelierprozess in Gang zu bringen müssen sich die Moleküle allerdings annähern und vernetzen, nur wie bringt man zwei sich nicht mögende Parteien zueinander, ohne dass einem die Sache um die Ohren fliegt?

Mechanismen gibt es deren einige, und alles hängt in nicht geringem Maße vom Veresterungsgrad der Pektine und der Eigenschaften der Seitenketten ab. Da ich euch jetzt nicht mit Dingen quälen will, die hier ohnehin kaum jemand braucht, möchte ich mich im folgenden ausschließlich mit jenen Pektinen befassen, die uns bei der Konfitürenherstellung zur Hand gehen. Das besondere dieser Pektine ist, dass sie einen hohen Anteil an veresterten und methylierten Gruppen aufweisen, was sich wiederum entscheidend auf den Prozess der Konfitürenwerdung auswirkt.

Studiert man mit wachem Auge Konfitürenrezepte, die ohne die Krücke namens Gelierzucker auskommen, so wird man unweigerlich auf die Zutaten Zucker und Zitronensaft, oder auch Zitronensäure stoßen. Zucker ist zum Konservieren da, schon richtig. Aber wozu die Säure? Und spielt Zucker nicht doch noch eine andere Rolle, als das Resultat der Kocherei nicht sofort dem Schimmel anheimfallen zu lassen?

Wir starten mal mit der Säurekomponente. Wenn wir uns düster an unsere Tage im dunklen Chemieraum der jeweilig besuchten Schule erinnern, so mag manch einer schon mal gehört haben, dass nicht alle Säuren gleich stark sind. Übersetzt heißt das nichts anderes als dass es Säuren gibt, die in Wasser stärker und schneller dissoziieren als andere. Oder anders ausgedrückt, die ihr überschüssiges Proton sehr gern jedem anderen anwesenden Molekül aufs Auge drücken, was nicht bei drei auf den Bäumen sitzt. Jetzt mag man ahnen, worauf die Sache hinausläuft: Die Zitronensäure ist stärker als die Galacturonsäure und wird also folglich die dissoziierten Säuregruppen dieses Pektinbestandteils wieder in ihre ladungsneutrale Ursprungskonfiguration zurückversetzen. Nun sind die negativ geladenen Gruppen plötzlich gar nicht mehr negativ eingestellt und finden den Pektinnachbarn doch um einiges netter als bis vor kurzem, es findet also eine vorsichtige Annäherung zwischen den zu vernetzenden Molekülen statt.

Der Zucker wiederum beansprucht große Mengen an Wasser für sich (Wasser für alle? Von wegen!), er entzieht also sämtlichen Molekülen, die sich noch bedeckt halten wollen, ihrer wässrigen Kuscheldecke (im Fachjargon auch Hydrathülle genannt) und erzwingt eine weitere Annäherung. Nun, da sich die Moleküle nun schon mal so nahe gekommen sind, ist der Schritt zum Bau von Wasserstoffbrücken getan. Na ja, und wenn wir schon mal so weit gekommen sind, dann können wir ja auch gleich ein Netz bauen, immerhin lungern hier ja noch ein paar hilfsbereite Zuckermoleküle herum, die sich nur zu gern an der Sache beteiligen wollen.

Das die ganze Geschichte nicht einfach so abläuft, wenn wir alles einfach nur zusammen in einen Topf schütten, sollte klar sein. Der ganze Prozess benötigt jede Menge Energie in Form von Wärme, deswegen werden Konfitüren auch gekocht. Kochen ist ein gutes Stichwort, denn schließlich meinten auch schon unsere Chemielehrer, dass man die Dinge am besten behält, die man selbst experimentell nachvollzogen hat. Für diejeneigen unter euch, die sich also gern selbst von der Wirkung der Pektine überzeugen wollen, habe ich eine Versuchsanordnung zur Herstellung von Bratapfelkonfitüre angehängt. Dieses Rezept bietet mehrere Vorteile: Erstens, es enthält eine natürliche Pektinquelle, nämlich Äpfel, zweitens, es ist auch für Anfänger recht gelingsicher und drittens, es schmeckt einfach wahnsinnig gut, was einen gewissen Nutzen jenseits der Befriedigung wissenschaftlicher Neugier erkennen lässt.

Bratapfelkonfitüre

Das Rezept ist eine Adaption von Christine Ferbers Apfelkonfitüre mit Honig und Lebkuchengewürz aus ihrem Buch "Die Marmeladenbibel". Ich habe die Honigmenge etwas verringert und gebrannte Mandeln sowie Sultaninen hinzugefügt.

Recipe

Für die gebrannten Mandeln

100 g Zucker
100 g Mandeln

Für die Konfitüre

1,4 kg Äpfel
500 g Rohrohrzucker
100 g Waldhonig
15 g Zitronensaft (von einer halben Zitrone)
2 g Lebkuchengewürz
100 g Sultaninen

Procedere

1. Zuerst bereitet man die gebrannten Mandeln vor. Dazu wird ein Backblech mit Backpapier belegt. Der Zucker wird in einer Pfanne bei mittlerer Hitze geschmolzen und leicht goldbraun karamellisiert. Nun zieht man die Pfanne sofort vom Herd und Fahrzeuge Mandeln in den Karamell. Die Mischung gibt man auf das vorbereitete Blech und trennt die Mandeln schnell voneinander. Man lässt alles auf Raumtemperatur abkühlen und hackt die Mandeln anschließend auf Stücke der gewünschten Größe. Die Mandeln werden bis zur Verwendung in einer luftdicht verschlossen Dose aufbewahrt.

2. Die Äpfel werden geviertelt, geschält und entkernt. Die Viertel werden quer in dünne Scheiben geschnitten. Man füllt die Apfelsgücke zusammen mit dem Honig, dem Zucker, dem Zitronensaft und dem Lebkuchengewürz in einen Topf und vermischt es gut. Nun lässt man die Mischung abgedeckt 1 Stunde stehen.

3. Die Mischung wird nun bei mittlerer Hitze unter Rühren zum Sieden erhitzt. Man nimmt nun den Topf vom Feuer, füllt die Mischung in eine saubere Schüssel, deckt das ganze mit Backpapier ab und stellt es für mindestens 16 Stunden kalt.

4. Die Masse wird nun zurück in den gerienigten Topf gefüllt und bei starker Hitze aufgekocht. Man kocht unter Rühren etwa 5 bis 10 Minuten, bis der Gelierpunkt von etwa 108°C erreicht ist. Nun werden die gebrannten Mandeln und die Sultaninen in die Konfitüre gerührt. Die Mischung wird in sterilisierte Gläser gefüllt und die Gläser werden sofort verschlossen. Alle Gläser stellt man für etwa 15 Minuten auf den Kopf, bevor sie wieder in Ausgangsposition zurückgedreht werden. Die Gläser lässt man abkühlen. Man kann die Konfitüre 4 bis 6 Monate lagern.

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